Leibhaftiges Kraftsport-Zentrum

Karsten SchellenbergPresse

Karsten Schellenberg ist Personal Trainer und bringt in Berlin Prominente in Form.
Ein Erfahrungsbericht über Fitness und Ernährung von Julia Siepmann (Welt am Sonntag Nr.19, 07. Mai 2006)

Den Gutschein für „eine Stunde mit Karsten“ hat mir meine Freundin Mimi zum Geburtstag geschenkt. Eine Probestunde mit Personal Trainer Karsten Schellenberg, das sollte mir „Spaß und Fitness bringen“, davon war jedenfalls meine Freundin fest überzeugt. Ich zunächst nicht so sehr. Dieser Karsten auf dem selbstgebastelten Gutschein blickte ernst und entschlossen. Dazu trug er ein dunkelblaues Poloshirt. So eng, daß er es mit seiner Brust fast zu sprengen drohte. Insgeheim befürchtete ich, daß mein Präsent ein bißchen zu aufregend und zu anstrengend ausfallen könnte. Eine ausgiebige Thaimassage wäre mir lieber gewesen. Nun muß man aber wissen: Schellenberg ist nicht irgendein Sporttrainer. Karsten war früher internationaler Meister im Bodybuilding, ist heute Fitness-Profi mit B-Lizenz (4 absolvierte Prüfungen) für die A-Prominenz, Diätassistent, Entspannungsexperte und Kampfsportler. Als Personal Trainer arbeitet der 43jährige bereits seit 1991.

Zu seinen Kunden gehören normale Leute wie ich, aber mindestens genauso viele Models, Schauspieler und Prominente. Er machte Franka Potente fit für die Sprint-Szenen in „Die Bourne-Verschwörung“ und das Playmate Janine Habeck kurvig für Hugh Hefners „Bunny Ranch“ in Los Angeles. Zwei Tage später also klingelt Schellenberg pünktlich morgens gegen halb zehn an meiner Haustür. Mit offenem Lachen, großer Sporttasche und wahnsinnig breitem Kreuz betritt er das Wohnzimmer – ein Mann wie ein Schrank würde man im Ruhrgebiet sagen.

Bei näherer Betrachtung hat der Trainer aber auch ein bißchen was von Henry Rollins, jenem muskelbepackten und schwer tätowierten Punkrock-Helden aus Kalifornien. Schellenberg ist ebenfalls so ein stiernackiges Kraftpaket, das zwar nicht singen und steppen, aber dafür super motivieren kann, und wie. „Lucky Man“ steht schließlich in tieftintenblauer Schreibschrift auf dem linken Unterarm. Zunächst sollen wir uns kennenlernen.

Er schaut mich aus seinen blauen Augen an und zupft mich am Handrücken. „Ein bißchen mehr Wasser trinken“ ist der erste fachmännische Rat, den ich erhalte, als die Haut zeitverzögert zurückfedert. Nach ein paar Minuten sind wir schon tief drin in all den Ernährungsthemen: Cholesterin, Insulin, Nikotin, Alkohol, Fett im Essen, Bewegungsarmut, Stress, Disziplin und so weiter. Schellenberg weiß, wo es das beste Obst in Berlin gibt, denn er kauft auf Wunsch auch für seine Klienten ein. Wenn er jemanden auf Reisen oder auf Tournee begleitet und für ihn kocht, berechnet er für diesen Service rund um die Uhr eine Tagespauschale von bis zu 500 Euro. Eine normale Trainingseinheit mit ihm kostet 80 Euro. Wie lange diese Einheit jedoch genau dauert, legt Schellenberg individuell fest und hängt auch davon ab, wie schnell sein Kunde schlapp macht. Jedenfalls ist das Kraftpaket immer für seine Fitness-Schäfchen da: Manche rufen ihn aus einem Restaurant an und wollen wissen, was sie nun am besten bestellen sollen. Oder letztens dieses Mannequin. Hatte die Nacht durchgemacht und mußte in vier Stunden zum Fotoshooting. Der hat Schellbenberg seine Geheimtips für einen frischen Teint verraten. Er weiß wirklich viel über Schönheit und Ernährung.

Aus dem Effeff hat er einen Vortrag über Brotsorten parat, erklärt, wann und womit man sich seine Schnittchen zubereiten sollte. Nach einer Viertelstunde bin ich bereit, meinen Wildlachs plus Naturreis künftig in diversen Restaurants vorzubestellen. Das Glas Wein darf trotzdem sein. Wir lächeln uns an.

So, jetzt kommen wir zum Sport! Was ich so mache? Yoga (regelmäßig), Ballett (ganz früher) und Joggen (zu selten) zähle ich stolz auf.

Schellenberg schüttelt den Kopf. „Einmal die Woche, det bringt nüscht“. Täglich ein paar Minuten Fitness sei das Minimum für eine akzeptable Figur, abwechselnd mit ausgedehnten Dauerläufen. Karsten erarbeitet jedes Programm individuell. Er schickt seine Kunden zum Aufwärmen in den Wald oder sucht für sie einen geeigneten Treppen-Parcours, um die Problemzonen zu bearbeiten. Meine nehmen wir jetzt in Angriff. Ich rolle meine blaue Sportmatte vorm Regal aus. Schellenberg fragt, ob es in Ordnung sei, wenn er mich anfaßt. Das hört sich komisch an, ist aber tatsächlich Voraussetzung für ein effektives Training. Denn der Trainer arbeitet dicht am Mann. Mit ihm braucht man keine Hanteln, keine Geräte. Er ist Expander und Beinpresse aus Fleisch und Blut und sagt selbst: „Das Gym bin ich!“

Als erstes strecke ich die Arme hinter dem Kopf aus, und er zieht sie in die Länge. Ahh! Passives Stretching, auch das übernimmt er also. Leider kommen als nächstes die Übungen für die Bauchmuskulatur. Schnell auf den Rücken gelegt, die Beine verknotet und dann den Oberkörper hochgestemmt. Schellenberg kniet neben mir und fühlt, ob der Bauch auch wirklich angespannt ist, und drückt gleichzeitig meine Füße auf den Boden. Schummeln schier unmöglich.

Wenn ich mit dem Oberkörper hochkomme, fällt mein Blick auf das ungespülte Geschirr in der Küche. Das muß jetzt egal sein. Das Training verlangt höchste Konzentration und ist nicht zu vergleichen mit einer Stunde im Fitness-Studio, wo man gemütlich auf dem Stepper liest oder gar fahrradfahrend fernsieht. Jetzt Knie anwinkeln und Hüften hochgestemmt. Die Schultern müssen am Boden bleiben und der Atem ganz ruhig. „Die Spinne“ nennt Schellenberg seine Übung für Po und Oberschenkel Er erwähnt, daß all seine Models mindestens 30 Wiederholungen schaffen müssen. Das motiviert. Es folgen unzählige gemeine Übungen, mal muß ich seinen Körper wegdrücken, dann fest gegen seine Stahlschenkel treten.

Nach 50 Minuten liege ich erschöpft und still auf der Matte. Ich ertaste neue Muskeln und fühle mich besser als nach einer Massage. Ich schließe die Augen. Irgendwo in der Ferne knackt ein Gelenk.


Artikel erschienen am 7. Mai 2006

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